Familiennachlass Kessler

(von links nach rechts)
Dr. Stefan Schmidt-Lawrenz mit Email-Werbeschild der Hamburg-Amerika-Linie;
Fachbereichsleiter Jochen Bangert mit einem Fotoalbum von einer Kraft durch Freude-Reise mit der "Wilhelm Gustloff"; Herbert Keßler mit dem Taufkleidchen seiner Mutter Antonia aus dem Jahr 1913;
Helga Ciriello mit einer Wanduhr mit dem Portrait Kaiser Wilhelms I.

Drei Generationen haben gesammelt - Hohenzollerisches Landesmuseum erhält Familiennachlaß als Schenkung

24.8.2008
Mit gutem schwäbischen Eifer haben drei Generationen der Familien Fecker und Keßler aufgehoben, was ihnen aufhebenswert erschien. Und das ist so einiges. Über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg dokumentiert der Nachlass nicht nur die Familiengeschichte, sondern vielmehr Weltgeschichte und natürlich die Hechinger Geschichte.
Der Hechinger Kurt Keßler hat jetzt bedeutende Teile des Familiennachlasses als Schenkung an das Hohenzollerische Landesmuseum gegeben. Und Helga Ciriello ist begeistert. So etwas habe sie noch nie gesehen, betonte die Museumsmitarbeiterin. Amtliche Dokumente aller Art, Fotoalben, Kriegstagebücher, Teile einer Ladeneinrichtung, sowie optische und mechanische Geräte ergeben ein schillerndes Bild von Hechingen und weit darüber hinaus aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Der Urgroßvater von Kurt Keßler war der aus Zimmern stammende Uhrmacher, Mechaniker und Wirt Johann Fecker. Fecker war mit Antonia Bulach aus Hechingen verheiratet und betrieb im Gebäude Ecke Schloßstraße/Marktstraße sowohl eine Mechanikerwerkstatt als auch die Feckerwirtschaft. Diese führte sein Sohn Adolf weiter, der auch eine Bäckerei betrieb. Lehrbriefe und Wanderbücher, Dokumente zur Militärzeit 1897, zahlreich Kneifer, Brillen und Uhren und eine Email-Tafel, die Fecker gleichzeitig als Agent der Hamburg-Amerika-Linie ausweist, illustrieren das frühe 20. Jahrhundert.
Das Ehepaar Adolf und Maria Fecker hatte zwei Töchter, Antonia und Maria. Die 1996 verstorbene Maria ist noch vielen als das "Fräulein Fecker" aus der Wirtschaft in Erinnerung, ihre Schwester Antonia heiratete den Hechinger Kurt Keßler. "Mein Vater war immer begeistert von der Fotografie", erzählt Herbert Keßler. Dies hat sich in einzigartigen Zeitdokumenten niedergeschlagen. Kurt Kessler photographierte als Soldat in Russland, wo er als Funker auf Flugplätzen im Einsatz war. Eigenhändige Fotos, auch von den Grausamkeiten des Kriegs oder auch von Adolf Hitler dokumentieren den Russlandfeldzug. Kurt Keßler und mehr noch sein Bruder Herbert waren – das verschweigen die Dokumente nicht - begeistert vom Nationalsozialismus. Seltene Aufnahmen von Aufmärschen der SA und SS in Hechingen zeigen dies, aber auch zahlreiche Erinnerungsbilder aus der Soldatenzeit. Selbst beim Reichsparteitag in Nürnberg machte Kurt Keßler Aufnahmen und ein ganzes Fotoalbum ist einer Kraft durch Freude-Kreuzfahrt durch die Ostsee mit der "Wilhelm Gustloff" gewidmet, die das Ehepaar Keßler im Juli 1939 machte. 2.934 km auf See und 4.677 km über Land wurden dabei zurückgelegt – Erholung im Nationalsozialismus.
Über den ganzen Zeitraum hinweg sind es aber auch die vielen Fotos – zum Teil auch Glasnegative - von Hechingen, die den Nachlass wertvoll machen. Durchaus mit Blick über das Familienleben hinaus ist die Zollernstadt und ihre Gebäude festgehalten.
Einen Überblick über die Schenkung verschafften sich jüngst die Museumsleute Dr. Stefan Schmidt-Lawrenz und Helga Ciriello sowie Fachbereichsleiter Jochen Bangert zusammen mit Herbert Keßler. Nach dem Tod seines Vaters Kurt zog die Mutter Antonia zu ihrer Tochter, und es galt für Herbert Keßler, sich um das elterliche Haus zu kümmern. Schon seit Jahren im Kontakt mit dem Museum, lag es nahe, das akribisch Gesammelte dem Landesmuseum zu übergeben. Dort wird jetzt an der Inventarisierung gearbeitet, vor allem aber gilt es, die wertvollen Exponate fachgerecht zu verwahren. So müssen die Photographien beispielsweise in weichermacherfreien Hüllen archiviert werden. Die Erschließung des wertvollen Nachlasses soll aber natürlich auch der weiteren Erforschung der Stadtgeschichte dienen und so manches der Exponate wird kommende Ausstellungen schmücken.