Hohenzollerisches Landesmuseum
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Ansprechpartner: David Hendel

  • Foto Gasballon Paul Spiegel 1907Foto Ausstellungshalle 1907Foto Ausstellung RückseiteAnzeige erste Auffahrt 1907Anzeige Vortrag 1907Medaillen 1907Medaille Ausstellung 1907Postkarte Ausstellung 1907

Aktuelle IiQ-Präsentation

Ein längst verschollenes Beweisfoto

Der Luftschiffer Paul Spiegel bei der Gewerbeausstellung in Hechingen 1907

Durch die Schenkung von zwei alten Fotografien aus dem Jahre 1907 von Gebhard Schneider an das Museum, kamen zwei Ansichten zur Gewerbeausstellung in Hechingen wieder ans Tageslicht. Gefunden wurden diese Fotografien im Haus Obertorplatz 10.

Der Anlass für diese Fotografien war die große Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung des Hechinger Gewerbevereins, anlässlich seines 50. Bestehens.

Die eine Fotografie zeigt hauptsächlich die Ausstellungshalle und den Vorplatz mit Personen, auch Kindern. Doch die andere Fotografie ist weitaus interessanter, denn sie zeigt etwas, was nach umfangreichen Recherchen noch „nie“ zu sehen war. Nämlich eine Abbildung des Gasballons bei der Ausstellung in Hechingen 1907. Alle abgebildeten Personen schauen gebannt auf das spektakuläre Ereignis vor und über ihnen.

Erfreulicherweise ist die Fotografie bzw. der Trägerkarton auf der Vorderseite unter dem Bild bedruckt: „Auffahrt des Luftschiffers Spiegel in Hechingen/ am 25. September 1907.“ Auf der Rückseite ist zudem noch mit Bleistift vermerkt: „Hohenz. Gewerbeausstellung./ 1907/ In der Gondel:/ Luftschiffer Spiegel/ m.l. [mein lieber ?] Freund Paul Stichling/ Frl [Fräulein] Marie Vetter/ der Freiballon flog über den Neuberg u. ging in Starzeln nieder.“ Leider gibt es aber keinen Hinweis auf den Fotografen.

Die Hauptperson, Paul Spiegel, war ein erfahrener und bekannter Luftschiffer bzw. „Aeronaut“ und bot seinen Ballon als Begleitprogramm bzw. Attraktion zur Ausstellung an. Kurz zuvor war er auch mit seinem Ballon und Aufstiegen eine Attraktion in Villingen.

In vielen Berichten, Anzeigen und Ankündigungen der lokalen „Hohenzollerischen Blätter“ und des „Zoller“ wurde auf die Anwesenheit, die Fahrten, Besichtigungen des Ballons und einen Vortrag von Paul Spiegel hingewiesen. Zudem wurde von Spiegels vergangenen – bis dato 358 selbständigen – Fahrten berichtet. Der 1851 in Breslau geborene Luftschiffer hatte bereits im Jahr 1905 ein 61 Seiten zählendes Büchlein verfasst, in dem er von seinen abenteuerlichen und spektakulären Fahrten berichtete. [über QR-Code digital abrufbar]. Zum Ballon selbst wird erläutert, dass dieser gefüllt 27 Meter hoch sei und 600 Kubikmeter Gas fasse, welches vom Hechinger Gaswerk geliefert wurde. Die Hülle besteht aus Rohseide und das Netz aus italienischem Hanf.

Die erste Fahrt unternahm Spiegel am 25. September (wie auf dem Karton abgedruckt), jedoch mit seinem Sohn, wie es der Zeitung zu entnehmen ist. Weiter heißt es dort „Der gestrige Aufstieg des Luftschiffers Paul Spiegel […] lockte eine vieltausendköpfige Menge auf den Ausstellungsplatz. Außer ihm war sein Sohn im Korb. Das Wetter war günstig. […] Der Ballon bewegte sich bei Südost-Wind nach Nordwesten.“. Zudem habe man noch am Abend ein Telegramm erhalten, das folgendermaßen lautete „Bieringen, bei Horb, 25. September, 9 Uhr 5 Minuten. […] Bin nach einstündiger herrlicher Fahrt hier glatt gelandet. Wir erreichten eine Höhe von 3700 m. Die Temperatur war 0 Grad. Spiegel.“

Am Montag, 29. September, fand eine zweite Fahrt statt, bei der aber nicht Spiegel, sondern sein Schüler Emil Leuschke mit dem Kaufmann Paul Stichling im Korb saß. Diese Fahrt führte die Männer in 1800 Meter Höhe und sie landeten nach einer Dreiviertelstunde in der Nähe von Killer.

Am Abend des 1. Oktober hielt Spiegel einen eineinhalbstündigen Vortrag im großen Museumssaal. Der Titel lautete „Die Luftschiffahrt und meine Erlebnisse in den höheren Regionen“. Man bemängelte zwar die wenigen Zuhörer, lobte jedoch den spannenden und unterhaltsamen Vortrag, welcher mit viel Beifall bedacht wurde.

Der dritte Aufstieg am Sonntag, 6. Oktober, wird in der Zeitung folgendermaßen wiedergegeben: „Nachmittags ist der Luftballon wieder aufgestiegen. Fräulein Marie Vetter von hier fuhr mit. Der Ballon stieg 1600 Meter hoch, die herrschende Windstille ließ ihn nur wenig über Hechingen wegkommen. Nach einer halben Stunde landete der Ballon glücklich im Kreut („Kalbin“) bei Hechingen.“ Dieser Landeplatz befindet sich östlich der heutigen B 27 und nördlich des Greutwegs. Es konnte noch herausgefunden werden, dass die Passagierin Marie Vetter in der Herrenackerstraße 25 wohnte und als „Directrice“ arbeitete.

Somit lieferte die Beschriftung auf der Rückseite nur dem ersten Anschein nach verlässliche Informationen. Schließlich muss festgestellt werden, dass es insgesamt drei Aufstiege und Fahrten des Ballons gab, zweimal mit Paul Spiegel und einmal mit Emil Leuschke. Herr Stichling und Frau Vetter sind auch nicht zusammen gefahren. Ebenso muss berichtigt werden, dass die Fahrt von Frau Vetter nicht in Starzeln endete, sondern nahe Hechingen.

Dieses damalige seltene Ballon-Ereignis wurde von mehreren Tausend Menschen aus nah und fern beobachtet. Dass nun ein Beweisfoto, neben all der Berichterstattung, aufgetaucht ist, ergänzt somit die interessante Geschichte rund um die Gewerbeausstellung und das Jubiläum des Gewerbevereins von 1907 in Hechingen.